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Channel: lecker essen in berlin!
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Atompolitik verdirbt mir gerade den Appetit

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Schwarz-Gelb hat es geschafft: dieses Blog wird politisch. Statt mich auf die Suche nach grandiosen Restaurants zu begeben, ging ich heute auf die Berliner Anti-Atom-Demo und demonstrierte mit ungefähr 100.000 anderen gegen  die Atompolitik der Bundesregierung. Bin gespannt, ob die Lobbyistenhörigen in Regierung und Bundestag jetzt langsam darüber nachdenken, was sie eigentlich gerade aufs Spiel setzen.

Hier ein paar Impressionen vom Platz vor dem Hauptbahnhof (mit meiner alten Fujiknispe gefilmt). Die Demo war da schon eine Stunde unterwegs und immer noch warteten Tausende darauf, sich dem Zug zum Kanzleramt anzuschließen. Für Augenzeugenberichte empfehle ich Twitter.



Speisen á la carte in gesundender Umgebung

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Ich bin für ein paar Tage nach Berlin-Mitte umgezogen. Wo andere Urlaub machen, Pubcrawls veranstalten und sich für die Clubnächte aufwärmen, dort wohne ich jetzt übergangsweise. Zugegebenerweise nicht ganz freiwillig. Mein Hotel mit Vollpension heißt St. Hedwig und ist ein katholisches Krankenhaus, gleich in der Nachbarschaft zum Hackeschen Markt und der Galerienmeile Auguststraße.

Die Verpflegung gibt dem Tag Struktur und ist dazu recht komfortabel: Frühstück um 7.30 Uhr, Mittag gegen 12, um 14.30 zwei Kekse und ne Tasse Brühkaffee. Klassisches deutsches Abendbrot zwischen ZDF-"heute" und Tagesschau. Mehrmals am Tag huschen überaus freundliche Damen ins Zimmer und fragen geduldig nach den werten Wünschen. Das Essen ist ganz angenehm. Sehr deutsch, durchaus schmackhaft, wenn auch mit Abstrichen. Nun, ich bin hier auch fürs gesund werden, nicht für einen Feinschmeckertrip auf Krankenkassenkosten. Kleine Kostprobe?

Hach, wie viel schöner wäre das Essen im Spital, wenn nicht diese doofen Sachen wären, die einen aufs Lager werfen.
Angeboten werden täglich drei Mittagessen zur Auswahl: Vollkost (seltsamerweise identisch mit Diabetikerversion), leichte Vollkost und Vegetarisch.  Der Donnerstag war ok. Putengulasch mit etwas zu weichem Brokkoligemüse, Fertigkartoffelpüree und etwas Erdbeerjoghurt aus dem Becher. Am Freitag lockte mich die Vegetarische Paprikaschote mit Reis und Tomatensalat. Dazu Krautsalat und als Nachtisch Apfelmus.

Ich liebe gefüllte Paprika - aber diesem Exemplar musste ich leider nach den ersten Bissen einen harschen Korb geben. Erstens war die Schote viel zu stark gegart - sie zerfiel beinahe von selbst zu rotem Brei -, zweitens konnte ich die Bestandteile der Füllung nicht abschließend identifizieren. Matschig-kremige Konsistenz mit einem diffusen Rübengeschmack. Was könnte das gewesen sein?  Vermutlich hätte ich besser das Rührei mit Rahmspinat genommen, meinem Bettnachbarn mundete es sichtlich. Gegenüber dem Gemüsegericht hätte ich auch noch knapp 350 Kalorien gespart.

Samstag ist hier offensichtlich Suppen- und Nudeltag. Suppe finde ja immer einen Gewinn, entschied mich gegen Kohlrabieintopf (waren das die Reste der Paprikafüllung?) sowie bunten Nudeln und wählte den deftigen Pichelsteiner Eintopf mit Karamellpudding. Überraschend lecker und laut Speiseplan nur 274 Kalorien. 

Noch ein Wort zu den Früh- und Spätmahlzeiten: Morgens gibt es Brötchen - so viel wie man möchte - aber mehr als zwei nehme ich nie, Wurst, Käse, Marmelade, Honig in reichlicher Menge. Fettreduzierte Butter oder Margarine stehen zur Auswahl. Abends fast das Gleiche. nur dass man Weiß-, Grau- oder Schwarzbrot haben kann. Oder alle drei. Heute gab es statt Gurkenscheiben und Tomatenecken einen richtigen Tomatensalat. Eine willkommene Abwechslung, und sehr erfrischend.

Am morgigen Sonntag steht - wer hätte es gedacht -  Braten auf der Karte: Schweinenacken mti Bayrisch Kraut, Salzkartoffeln und frischem Obst.Vollkommen überraschte mich der angegebene Brennwert: von nur 437 Kalorien.Die beiden Alternativen Hähnchenbrustfilet und Eier in Senfsoße verlieren vorab gegen das Schwein. Bin gespannt. Bild folgt.

Kulinarische Grüße vom Krankenlager!

Krankenhaus-Verpflegung: Bonjour Tristesse!

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Ihr werdet mir zustimmen: Es muss etwas faul sein, schweift man gedanklich in andere Sphären ab, während man sich einer Sache eigentlich zu 100 Prozent widmen sollte. Beispiel: Du sitzt das erste Mal mit der Verabredung an einem netten Ort, und während sie/er versucht, intensiveren Kontakt aufzunehmen, schweifen deine Gedanken ab. Zu früheren FreundInnen, zum ARD-Tatort, den du in diesem Moment eigentlich viel interessanter finden würdest, zum fiesen Brief der Hausverwaltung. Ganz klar - der unglückliche Datepartner hat bereits verloren, man sollte die Sache also schleunigst abbrechen. Geht ja auch.

Woran erkennt man, dass dies ein Sonntagsfrühstück ist? Genau: am Ei (rechts unten). Leider hart und fast kalt.

Mit dem Essen ist das ähnlich. Wer über Leckereien und Gaumenfreuden halluziniert, während sie/er gerade vor gefüllten Tellern sitzt, dürfte mit der dargebotenen Speise höchstwahrscheinlich nicht  glücklich sein. Im Restaurant beende ich in diesem Fall die Mahlzeit und gehe nie wieder an den Ort der unerfüllten Sehnsüchte. Im Krankenhaus steht einem diese Option leider in der Regel nicht offen (sofern man nicht in einer unbezahlbaren Privatklinik liegt): man ist quasi in die Kindheit zurück versetzt - gegessen wird, was auf den Tisch kommt, die Alternative ist HUNGER.

Diese Bilderserie dokumentiert meine Ernährung am 20. Jahrestag der Deutschen Einheit in dem in allen anderen Belangen ganz vorzüglichen Krankenhaus in der Mitte der Stadt. Über Qualität, Frische und Nährwert der Lebensmittel will ich nicht diskutieren, die sind bestimmt ohne Fehl und Tadel. Und mit den paar Euros pro Patient und Tag vier Mahlzeiten zu produzieren, ist sicherlich eine echte Herausforderung für den Koch. Aber, um den Sinn dieser langatmigen Einleitung zu erklären, nach ein paar Tagen Großküche schwelgen mein Zimmernachbar und ich während des Essens über Essen. Gutes Essen, ein anderes Essen, Abwechslung, Lust auf Schmackofatz. Die Hauptgerichte sind nicht einmal das Kernproblem. es sind die drei anderen Mahlzeiten, die die Sehnsucht wecken.
Ja, das ist unser Sonntagsbraten. Schweinenacken mit Bayrisch Kraut und Salzkartoffeln. Das angekündigte "frische Obst" stellt sich als Apfel heraus. Und nein: ich habe die Farben des Bildes NICHT manipuliert. 
Es sind die Randmahlzeiten:in ihrer Eintönigkeit, die uns zum Delirieren treiben: Morgens: Fleischwaren (Aufschnitt, Kochschinken, Mettwurst - alles ähnlich in Geschmack und Salzigkeit), der ewige Gummikäse. Die immer gleichen Sorten Honig und Marmelade aus dem Plastiknapf. Dazu Brot oder Brötchen. Kaffee und Kuchen am Nachmittag, lieb gemeint, lieb serviert. Was bekommt man? Die Karikatur eines Kuchens. Siehe unten... Um diese Jahreszeit wünsche ich mir ein Stück Zwetschgenkuchen, eine frische Apfeltorte, gerne auch einen Gugelhupf aus saftigem Rührteig. Für Kassenpatienten ist das nicht drin. Wäre es teurer, würde die Großküche selber backen statt Fertigzeugs zu kaufen?

Knusper, knusper, brösel, brösel. Kaffeezeit! Milch und Zucker nach Wunsch, Gebäck aus der Packung.

Das klassische deutsche Abendbrot: Mischbrot, Leberwurst, Schinken, Käse. Statt einem Bierchen (gehört auch nicht ins Spital, ich geb's zu) schlürfen wir Pfefferminztee. Willkommene Abwechslung: Die Nudelsuppe. Auf Butter oder Margarine hatte ich diesmal freiwillig verzichtet.
Am Abend bringen die Küchendamen und -herren dann eine Variation des Morgenangebots. Nur statt Mett- gibt es nun Leberwurst, Gurkenscheiben und Tomatenecken substituieren Marmelade und Honig, Schnittbrot (Schwarz-, Misch-, Weißbrot) ersetzt die Semmeln. Halleluja. Mein Mitpatient fing an, von Bratheringen und Bratkartoffeln zu reden, ich von Miesmuscheln in Weinsud. An dieser Stelle muss  ich aufhören, über Alternativen zu schreiben. Zu starker Speichelfluss ist schlecht für die Tastatur..

Nun gut, heute Abend gibt es nochmal das deutsche Abendbrot, morgen den überraschungsfreien Frühstücksteller. Das Mittagessen darf ich mir dann endlich wieder komplett selbst aussuchen. Denn am Vormittag werde ich aus meiner Nahrungsunmündigkeit entlassen. Mein armer Mitpatient muss weiter träumen.

Die Karausche: Wie ich den Fisch des Jahres in Berlin-Lichtenberg fand

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Dem Krankenhaus bin ich entflohen, fast ebenso lange habe ich nichts mehr geschrieben. Könnte eine echte Schreibblockade sein. Nicht, dass ich nichts mehr erleben würde oder mir die Lust am Fotografieren und Bloggen vergangen wäre. Ich nehme es mir ja jedesmal vor, wenn ich etwas Interessantes gekauft, gegessen, gesehen habe. Dann kommt der Moment, wo ich mich ins Blog einloggen will, die SD-Karte mit den Fotos steckt im Slot, ich seh' mir die Bilder an, bastele sie auf leckeressen-Format zurecht.  Und dann: nichts! Kein Drang, meine Erlebnisse in die Welt hinauszuposaunen. Aber niemand will hier existenzialistisches Gejammer lesen. Deshalb gibt es heute die Geschichte, wie ich nach Lichtenberg fuhr und mit einer Karausche, dem Fisch des Jahres 2010, zurück kam.

Der Fisch des Jahres 2010: die Karausche. Dieses prächtige Exemplar kann leider nichts mehr für 
den Bestand seiner Art tun.
Alles begann damit, dass ich mich bei einem Bekannten, einem bekennenden Lichtenberger, bitterlich über die schlechte Karpfenversorgung in dieser Stadt beklagte. Denn anscheinend bekommt man in Berlin leichter Austern aus Bouzigues und Seewolf als einheimische Süßwasserfische. Prompt wurde mir der Intermarket Jubiljenyi in Lichtenberg für frisches Wassergetier aus der Umgebung empfohlen. Nun muss ich zugeben, dass es mich seltenst in den Stadtbezirk der Superlativen verschlägt, aber diese Aussicht machte mich mobil.
Keine Angst vor Sprachhürden. Alle russischen Produkte tragen auch deutsche Etiketten. 
Mit S-Bahn und Tram komme ich in der Gegend nördlich der Storkower Straße an. In dem grausigen Novemberwetter wirkt die Gegend geradezu verstörend unwirtlich. Ehemals sozialistische Wohntürme und Nachwendebrachialarchitektur säumen Ausfallstraßen, der Wind peitscht den Regen durch die Weiten zwischen den Häuserblocks. Dazwischen ein Einkaufszentrum in einem Komplex aus anthrazitfarbenem Granit. Ich bin am Ziel: die Leuchtreklame des Intermarket Jubiljenyi leuchtet bunt in dem Einerlei. Ich hatte einen Fischladen erwartet und bin in einem russischen Supermarkt gelandet. Schon das Ladenschild verzichtet auf lateinische Transkription, das kyrillische Alphabet dominiert die Etiketten der Fertigprodukte. In den Regalen: russische Wurst, russischer Wodka, russischer Käse, russisches Bier und sauer Eingewecktes jeglicher Art. Dazu Pelmeni, Piroggen und Blini aus der Tiefkühltruhe. Beim Frischgemüse fällt das vielfältige und günstige Angebot an Kohlsorten auf. Mein erster Kauf: Smetana. Russische saure Sahne mit 30 Prozent Fett.
Mein erster Einkauf im russischen Supermarkt:
Wodka, Saure Sahne, Baltika-Bier der Sorte Nr. 2
 und eine frische Karausche. 


Derber Charme an der Fischtheke

Dann stehe ich vor der Fischtheke und tatsächlich ziehen dort in einem Aquarium prächtige Spiegelkarpfen ihre Runden. In einem zweiten Becken warten andere Süßwasserfische, darunter ein Stör, auf das Ende in Kochtopf und Pfanne.

Doch es sind die Karauschen, deren Anblick mich spontan fesselt. Diese kleinen Karpfenfische habe ich bisher in keiner Fischtheke gesehen und hier sind gleich gut zwei Dutzend zu einem ordentlichen Berg aufgeschichtet. Preis: knapp drei Euro das Kilogramm! Offenbar nervt es die Verkäuferin, dass ich nun schon geschlagene 30 Sekunden ihre Ware anglotze. Mit Höflichkeiten hält sie sich erst gar nicht auf, als sie mit mit einem knappen "Ja?" und vorgeschobenen Kinn zum Kauf auffordert. Mein Lächeln bügelt sie mit einem unwilligen "Was wollen Sie?" ab. Alles klar, hier wird ver- und gekauft, ohne Brimbramborium und Gefühlsduselei. Freundlichkeit ist was für Weicheier.

Ich wähle eine Ein-Kilo-Karausche aus und frage unvorsichtiger Weise, ob sie das Tier - "bitte!" - ausnehmen könne. Ihr Blick lässt mich verstummen. Na gut, muss ich meinen Kauf wohl später selbst von seinen Innereien befreien. Doch anscheinend hat sie mir meinen anmaßenden Wunsch bereits verziehen. Denn als sie mir die Tüte über die Theke reicht, und ich mich bedanke, höre ich tatsächlich ein "Bittä schön. Auf Wiedersehen". Vielleicht will sie mich einfach nur loshaben.

Wodka satt

Noch ganz unter dem Eindruck meines Karauschenkaufes komme ich am Spirtousenregal vorbei und wähle aus geschätzten 20 Sorten Wodka einen halben Liter ukrainischen "Blagodatj" und eine Flasche Petersburger Baltika 2 in den Korb. Alles zusammen - Sahne, Frischfisch, Getränke - kostet nicht einmal elf Euro. Ein guter Preis.

Die - übrigens überaus frische - Karausche auszunehmen war nicht gerade ein Spaß, aber da muss man durch.Wenn die Leute ihren Fischstäbchengrundstoff regelmäßig selbst ausweiden müssten, würde erheblich weniger Fisch gegessen. Davon bin ich jetzt zutiefst überzeugt. Unser Fischchen bereiteten wir im Senfmantel zu. Obacht beim verlinkten Rezept! Statt fünf (!) Esslöffel Salz, was das Gericht natürlich ungenießbar machen würde, dürften die gleiche Menge Senf gemeint sein.  Dazu tranken wir ein Gläschen von dem vorzüglichen Wodka. Die leicht säuerliche Sahne passte übrigens hervorragend zu unseren selbstgemachten Blini. Sie ist sehr mild und schmelzend cremig auf der Zunge. Klasse. Meine nächste Karausche vom Intermarket werde ich übrigens filetieren, braten und dann sauer - wie Brathering - einlegen. Denn so gut der Fisch auch schmeckte, durch die vielen kleinen Gräten gestaltete sich die Mahlzeit etwas anstrengend. Vielleicht hole ich mir bei Jubiljenyi auch einen Karpfen. Ich hoffe nur, dass die Dame dann wenigstens das Schlachten übernimmt.


Intermarket Jubiljenyi
Möllendorfstraße 47-48
10367 Berlin-Lichtenberg
Öffnungszeiten Mo-Sa 9-20 Uhr


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Warum wir ein bisschen mehr Wohlstand in Berlin brauchen

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Ich mag den Wandel in Alt-Treptow, im Kiez rund um die Karl-Kunger-Straße. Manche schreien "Gentrifizierung!" und schmieren das Haus einer Baugruppe mit hasserfüllten Parolen zu. Andere, und dazu gehöre nicht nur ich, sehen die angenehmen Seiten: Weniger Menschen mit schweren Alkoholproblemen, die ihre gebrüllten Diskussionen um Mitternacht unter deinem Schlafzimmerfenster führen. Weniger Sofaruinen, Ekelmatrazen und Fernsehwracks auf den Baumscheiben. Kaum noch leere Lädchen, die vor sich hinrotten.
Wohl bekomm's. Die Freunde des Pfefferminzschnapses markieren ihr Revier im Kunger-Kiez. 
In den vergangenen drei Jahren kamen rund um die Karl-Kunger-Straße hinzu (ich zähle jetzt nur die Neuzugänge auf, die was mit Essen und Trinken zu tun haben, die Galerien, den T-Shirtdruck, die Klavier- und Fahrradwerkstatt, die Medienagentur, die Textildesignerinnen lasse ich mal außen vor):
  • das Café Provinz, mit Lesebühne, vegetarischem Mittagstisch, gutem Kaffee, Rollbergbier und WLan.
  • ein kleiner vietnamesischer Imbiss;
  • die Treptower Klause, die sich von einer verstaubten Kiezkneipe mit Pils und Bockwurst in ein herrliches kleines Restaurant mit wechselnder und anspruchsvoller Abendkarte verwandelt hat;
  • Karlas Gute Stube, das erst mit Fresken an der Wand als "Karla Trinkraum" gestartet war, aber inzwischen kein Essen mehr anbietet, dafür Spiele und Tatort;
  • die Vollkornbäckerei Hartwich (an der Elsenstraße) mit einem Sauerteigbrot, das meiner Meinung qualitativ und geschmacklich mit der Hofpfisterei mithalten kann. Aber eben in Berlin seine Backstube hat;
  • ein mittelmäßiger türkischer Bäcker in der Bouchéstraße, der sich leider nicht traut, im gar nicht mehr so urdeutschen Kungerkiez türkisches Weißbrot und Simit anzubieten;
  • ein LPG-Biosupermarkt mit Brot, Kaffeeausschank und Zeugs zum Vor-Ort-essen, wo ich aber noch nicht war (ebenfalls Bouchéstraße);
  • die Obstsammler von Mundraub (kein Obstladen, aber jung und hipp);
  • der Feinkostladen Il Sogno, eigentlich eher eine Espressobar, mit hervorragendem Kaffee und Gebäck, die auch allerhand italienischer Feinkost und Wein verkauft. Außerdem gibt es einen Mittagstisch.
Ganz klar: die Kaufkraft im Viertel ist gestiegen. Angelockt durch die günstigen Mieten und die schöne Lage zwischen Spree, Neukölln und Landwehrkanal sind neben Studis auch Leute mit ein bisschen Einkommen hergezogen. Menschen, die in ihrer Straße auch mal gut essen möchten und nicht nur im Supermarkt einkaufen  möchten oder müssen. Davon gibt es hier im Kiez auch noch drei Stück, auch die billigen Bäcker und die Spätverkäufe, den Schlachterimbiss und die schräge Eckkneipe mit billigem Bier. Für alle etwas. Die Kehrseite sind steigenden Mieten. Vorher waren sie niedrig, wer wollte schon in die öde Gegend. Das hat sich geändert, an den Bäumen hängen Zettel Wohnungssuchender, bei Neuvermietungen steigt der Preis. Manche befürchten die "Prenzlauerbergisierung" durch Baugruppen und Eigentumswohnungen. Ich bin mir nicht sicher, wo das Viertel am Ende stehen wird. Sicher bin ich mir nur, dass Mietwohnungen immer Spekulationsobjekte sind und  zum Geld verdienen gebaut wurden. Und so lange die Politik nicht ins Mieteigentum mit Gesetzen und Verordungen eingreift oder Sozialbauten fördert, werden Mieten mit der Nachfrage steigen.

Abwarten und Latte Macchiato trinken. Zeit für mich ein paar nette kulinarische Sachen  hier aus der Gegend - außer das unverändert grandiose Tapas 6 -  vorzustellen. Fortsetzung folgt.

Ein guter Espresso hilft gegen wunden Fuß

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Espresso Limo in atti's café

Schön wär’s ja. Mit Fuß-Aua und lahmen Gliedern ins nächste Café einkehren, einen schönen Espresso trinken und danach geht es weiter - mit wundersam verheilten Blasen und neuer Spannkraft im Geläuf.

Leider ist das nie der Fall. Heute zum Beispiel stand ich zweieinhalb Stunden als ehrenamtliche Hilfskraft auf dem SPD-Sommerfest am Brandenburger Tor. Von links bohrte sich Roland Kaiser (“Dich zu lieben, dich zu spüren…”) im penetranten Discofox-Rhythmus in den Gehörgang, von rechts dudelte eine Orjenal-Altberliner-Drehorgel das Lied vom knallroten Gummiboot. Das alleine reicht schon, um sich ganz malade zu fühlen.

Ich entkam dann zwar dem Lärmteppich durch Flucht nach Norden. Aber nach einem Fußmarsch zur U2 am Potsdamer Platz, Umstieg zur U8 am Alex, Fahrt zur Brunnenstraße und Längsdurchquerung der Mauerparks war ich reif für eine längere Rast. Der Liebsten war mein schleppender Hinkegang natürlich nicht entgangen. Kann sein, dass ich auch ein bisschen jammerte. Doch auf dem Marsch zur Schönhauser Allee kamen wir in der Gleimstraße nur an einer schier endlosen Reihe von Abfütterungsbetrieben für das touristischen Zielpublikum vorbei. Nichts, das nach Café aussah. Bis die Liebste mit ihrem untäuschbaren Kaffeeriecher atti’s espresso café entdeckte.

atti's espresso Café, Gleimstraße 44

Mit letzter Kraft reingewankt. In die knuffigen kleinen Ledersessel fallen lassen. Espresso, Cappuccino und einen selbst gebackenen Möhrenkuchen mit ausgeprägter Zimtnote geholt. Zugeguckt, wie Babys durch die Gegend krabbeln und erste Roman-Versuche in Kladden gekritzelt werden. Noch eine Fritzlimo Orange gegen den Durst geholt (“Alle Kaltgetränke nur 2 Euro”). Schließlich 6,90 Euro gezahlt. Für zwei. Der wunde Fuß war zwar nicht verheilt, aber der prima Espresso hatte mich wieder soweit aufgemöbelt, dass ich den Weg ins heimische Neuköllner/Treptower/Kreuzberger Grenzgebiet antreten konnte. Sollte ich bei meinen seltenen Reisen in den Mauerpark wieder Erfrischungsbedürfnisse verspüren, kann atti’s espresso café trotz Deppenapostroph und Deppenleerzeichen im Namen auf meine weiteren Besuche zählen.

Angenehm untouristisch, unhipp, lecker. Empfehlenswert!

atti’s espresso café
Gleimstraße 44, von der Schönhauer Allee Richtung Mauerpark
10437 Berlin – Prenzlauer Berg

Treptower Klause: Schlemmerbude hinterm Landwehrkanal

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Als ich vor ein paar Jahren die Karl-Kunger-Straße entdeckte, war das ein Ort voller leerer Läden und krakelender Betrunkener. Der Kiez hatte eindeutig schon bessere Zeiten gesehen, dass die Talsohle aber tatsächlich schon durchschritten war, das war ihm nicht anzusehen.

Klause

Am Ende der Karl-Kunger-Straßé, dort wo sie auf die Lohmühlenstraße trifft und der Landwehrkanal die Grenze zum benachbarten Kreuzberg  bildet, gab es damals eine kleine Kneipe mit dem gewissen Spelunkencharme, die Treptower Klause. An der ging ich nur vorbei. Mochte es an dem Muff aus gut hundert Jahren liegen, der aus dem dunklen Raum heraussickerte, oder an der Karte, die mir Wiener für 1,50 und billiges Bier anbot. Bis dann eines Tages der Rollladen verrammelt blieb und die altertümliche Leuchtreklame dunkel.

Doch dann passierte etwas. Menschen schafften Berge verrotteter Teppich aus dem Laden, es wurde gemalt und geschreinert und eines Tages machte die Treptower Klause wieder auf und war ein blitzeblankes kleines Restaurant, mit dem sich ein richtiger Koche und seine Partnerin den Traum von der eigenen Wirtschaft erfüllt hat.

Treptower Klause Speisekarte

Soweit die Vorgeschichte in aller Kürze, denn das wichtigste kommt jetzt: Das Essen. Es ist einfach fantastisch. Jeden Tag, außer Montag, steht Jussuf mit seinen Helfern in seiner blitzeblanken kleinen Küche und kocht uns einen auf, dass einem die Augen tränen. Tränen! Ja. Wasabi saß da, schob sich ein Stück vom Wildschwein in den den Mund und schmeckte mit wässrigem Blick dem Bissen hinterher. Sie hätte das noch nie besser gegessen…

Brotkorb

Fünf bis sechs Vorspeisen, vier Hauptgerichte – dabei immer etwas Vegetarisches und drei Nachtische. Vor der Vorspeise, sozusagen als Ouvertüre zum Hochgenuss, serviert die Klause einen Brotkorb mit Selbstgebackenem und wechselnden Aufstrichen. Apropos Küche: woher ich weiß, wie sie aussieht? Weil man jederzeit neben dem Tresen vorbei in das kleine Edelstahlparadies schlüpfen und der Besatzung auf die Finger schauen darf.

Ich könne jetzt das oder das Gericht beschreiben, was sie dort zubereiten, was aber nicht helfen würden. Denn bis auf ein oder zwei Gerichte wechseln die Gerichte ständig, manchmal mehrmals in der Woche. Was aus ist, ist aus – Convenience ist ein Fremdwort in dieser Küche. In der Klause wird saisonal gekocht: Im Sommer kommen die Kräuter aus deinem Schrebergarten in der Kiefholzstraße und im Herbst huscht bisweilen ein zauseliger Waldschrat durch die Wirtsstube und bringt frische Pilze.

Meine großen Favoriten sind die Vorspeisen, von denen ich gerne zwei nehme und stattdessen auf den Hauptgang verzichte. Oft serviert die Klause ein asiatisch-österrreichisches Crossover. Immer von großer Leichtigkeit und Frische, nie manieriert, immer mit Biss und einem Geschmack, der den wunderbaren Zutaten viel Platz gibt.

suppeSuppe leer 

Zum Beispiel so der Fall bei der Nudelsuppe mit Buchweizennudeln, Tofu und Pilzen  – ein leichtes asiatisches Gericht. Danach die geschmorte Lammhaxe. Butterweich mit einer Soße, die sich mit der buttergetränkten Polenta bestens verträgt , kontrapunktisch dazu der Salat aus bissfesten grünen Bohnen, krachend und kräuterfrisch.

Lammhaxe

Die Hauptgerichte stehen für sich, wenn es fleischig wird, dann kommt es aus artgerechter Haltung. Wie das Schnitzel vom Havelländer Apfelschwein oder die Lammkoteletts in Vorspeisengröße, die hier so verlockend zum “Einjährigen” der Klaus serviert wurden.

Lammkotelett und Schnitzelchen

Wird es fischig, dann weiß man danach, wie eine Forelle, ein Saibling oder auch  Tintenfisch – raffiniert auch schon mal mit Blutwurst gefüllt – auf den Punkt gegart sein muss. Und die Nudelgerichte? Jussufs Ravioli mit Ziegenkäsefüllung und einer buttrigen Zitronen-Kräutersoße – mit frischen Zutaten aus dem genannten Schrebergärtchen – ließen mich mit der Zunge schnalzen. Einen Frau am Nebentisch juchzte vor Freude, das seien die besten gefüllten Nudeltaschen gewesen, die sie jemals gegessen habe.

Die wahre Meisterschaft zeigt der Maître jedoch bei seinen süßen Desserts. Panna Cotta wie geronnene Sahne, schmelzend im Mund, ohne die quallige Wabbeligkeit von zuviel Gelatine, warme Schokoladenküchlein mit Kirschsoße, Fruchtparfait mit einem Traum aus Erdbeeren, dessen Namen ich vergessen habe – Halleluja. Sind die vorigen Gänge schon gut, so lugt beim Nachtisch der Genius um die Ecke.

Blick nach außen

Die Rechnung kommt für uns zwei Personen nach einem üppigen Getafel immer auf 50 bis 60 Euro – inklusive Getränke. Vorspeisen kosten um die 6 Euro, den Hauptgang gibt es ab etwa 12 Euro, für´s Dessert zahlt man 6 bis 8 Euro. Für dieses Geld bekommt man solche Köstlichkeiten wirklich nur in Alt-Treptow,  Freund A., der aus Dresdens Peripherie stammt, habe ich ja in Verdacht, dass er die Fahrt nach Berlin nur in Kauf nimmt, um mal wieder in die Klause zu gehen. Beim letzten Besuch brachte er zwei Freunde mit, die am Ende offenbar kurz davor waren, die Teller auch noch auszulecken. Und R, Grafiker und Genießer, ließ bei einem meiner Leipzigbesuche verlauten, er würde doch wieder gerne mal nach Berlin  kommen. Ob wir denn dann in die Klause… Können wir, machen wir. Die Zeiten im Kiez haben sich gebessert, wir haben jetzt statt Bockwurstküche ein Lieblingsrestaurant, in dem man leider zu bestimmten Zeiten keinen Platz mehr bekommt.

Fast hätte ich die Getränke vergessen. Ach die Getränke. Mein großes schwarzes Loch, ich gebe es zu. Wir haben dort schon mal eine Flasche Wein getrunken, aber wie sagt Anne, die Herrscherin über Gastraum und Theke,  immer zu mir: “Ein Weizen!?” Ein Weizen, ja. Viel mehr kenne ich nicht. Lasst euch beraten, und trinkt vielleicht nach dem Essen einen guten Espresso oder einen der Obstbrände. Ihr werdet nichts falsch machen.

Treptower Klause
Karl-Kunger-Straße 69
12435 Berlin
Dienstag bis Samstag: 18:00 Uhr bis 22:30 Uhr
Sonntag: 17:00 Uhr - 21:30

Tel: 0175- 901 0099
Reservierung für Freitage und Sonnabende ist ratsam

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Exkurs Leipzig: Mittagstisch mit Sichuanküche im Chinabrenner

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Gesundes neues Jahr allerseits. Der erste Restaurantbesuch des Jahres hat so tatsächlich schon vor 4 Monaten stattgefunden. Getafelt wurde auch in Leipzig statt im kulinarisch wahrlich ergiebigeren Berlin. Aber mit irgendwas müssen wir ja wieder anfangen. So beginnt leckeressen 2014 mit einem Mittagstischerlebnis, moosigen Zehennägeln und Erinnerungen  an Hackepeter auf Margarine aus der west-sächsischen Metropole, die ich noch immer für die zweitcoolste Stadt des Landes halte. 

Kellner 1 heißt natürlich nicht so. Eigentlich müsste es auch Kellnerin 1 heißen, denn die Bedienung im Leipziger Chinabrenner ist eine junge Chinesin. Ihren tatsächlichen Namen erfahre ich nicht, er tut auch nichts zur Sache, denn ich bin in die alte Fabrikhalle in der Gießerstraße nicht eingekehrt, um über Kellnerinnen-Namen zu sinnieren, sondern um zu essen.

Chinabrenner Leipzig

Morgens um kurz nach 9 kam ich von Berlin am Leipziger Hauptbahnhof an, gondelte zur Deutschen Bibliothek um dort ein paar wichtige Geschäfte zu erledigen. Strapaziöse, langwierig Geschäfte, die mir immer enormen Hunger verursachen. Das Frühstück lag lange zurück und war zudem äußerst frugal: eine Tasse Kaffee, ein Brötchen.

So hörte ich meinen Magen deutlich jammern, als ich gegen 11.30 Uhr endlich frei war und mich auf Nahrungssuche begeben konnte. Ein echter Tipp für Freund originär chinesischer Sichuan-Küche – von geheim kann wirklich nicht mehr die Rede sein – ist der Chinabrenner im ehemaligen industriellen Herz Leipzigs. Mit den Linie 16, 1 und 12(14) kam ich vom Rande Stötteritz' nach Plagwitz, wo der Gründer und Besitzer vor ein paar Jahren mit dem Chinabrennen begonnen hatte. Er hatte, so erzählt es die Legende, die Liebe zur Sichuan-Küche aus dem südlichen Zentrum des Reichs der Mitte mitgebracht in die stolze Messestadt. Und weil ihm die so schmeckte und nun gar nicht im sächsischen Roster- und Kartoffeln-mit-Soße-Land zu bekommen war, begann er selber zu brutzeln und lud ab und zu ein paar Menschen zum gemeinsamen Verkosten ein. Denen schmeckte es ebenfalls und so wurde aus dem Event ein Gasthaus.

Ich hatte also viel davon gehört und leider noch nie probiert. Und als ich in der Gießerstraße ankam, bedauerte ich doch ein wenig traurig, dass sich erst jetzt in der alten Fabrik mit ihren rohen Ziegelwänden und den riesigen Stahlprofilfenstern ein passables Restaurant angesiedelt hat – lange nach meinem Wegzug aus Leipzig,  Gut ein Jahr lange hatte einen Steinwurf entfernt gearbeitet, in einer damals kulinarisch wüsten Gegend. Es gab "das Lädchen" an der Ecke, wo man neben Zigaretten und Getränken auch geschmierte Brötchen bekam. An die halben Schrippen mit Hackepeter und dick Margarine(!) kann ich mich noch erinnern, als Ergänzungsnahrung und Geschmackskick holte ich mir dann oft einen dieser Riegel mit Kokos. Was meiner Figur gar nicht bekam. Eine Alternative wäre allerdings die Cafeteria am Arbeitsort gewesen. Ich erinnere mich an eine “sächsische Schlachteplatte" mit Leberwürsten so fett und ohne Geschmack, an weiße Pampesoße... All das kroch wieder hoch auch dem längst verschüttet geglaubten Essgedächtnis, als ich von der Straßenbahn zum Chinabrenner eilte.

Chinabrenner Mittagstisch

Stahlträger überspannen die weite Halle, dazwischen Stützpfeiler um die sich ein große und runde und kleine eckige Tische gruppieren. Auf den großen stehen runde Drehplatten, Bereit für das Abendangebot, um den Essern am Tisch den Zugriff auf die vielen leckeren Kleinigkeiten zu erleichtern.

Das allerdings kann ich nur erraten, denn jetzt, zum Mittagstisch, habe ich die Auswahl zwischen genau zwei Gerichten: Reis mit scharfem Gemüse und grünem Tee – alternativ Reis mit Gemüse UND Hühnerfleisch. Ich bestelle also bei Kellner 1, eigentlich Kellnerin 1, das Menü mit Fleisch.

Chinabrenner Füße

Der Chef steht offenbar nicht mehr selbst am Wok, jedenfalls nicht an diesem Tag. Er lässt Chinabrennen - in der Küche hinter der Theke werkeln junge Menschen routiniert. Bis mein Essen kommt habe ich reichlich Zeit mich umzusehen. An den Nebentischen das Leipziger Äquivalent des Berliner Hipsters, amerikanisch sprechende Kastenbrillen-Träger. Junge Frauen mit blondierten Haaren im Vorstadtschick picken mit ihren Stäbchen Reiskörner aus den Schüsselchen. Behaglich lehne ich mich zurück und betrachte die Zehennägel den chinesischen Gemüsebauern neben mir. Der Bauer ist zwar nur ein leicht überlebensgroßes Foto, aber seine Füße sind genau auf Höhe meines Kopfes. Ich wundere mich gerade, dass ein Sandalenträger so moosig gelb-pilzige Nägel haben kann (und wieso ich mir die beim Mittagessen ansehen muss), da serviert mir Kellner 1 geschäftsmäßig lächelnd mein Mittagsmahl: Reis, Streifen von etwas trockenem Hähnchenfleisch, Paprika, Cashewnüsse. Alles durchaus angenehm scharf und sehr aromatisch gewürzt. Kein Gericht für Soßenfanatiker: das ganze ist eher arm an Flüssigkeit, dadurch bleibt der Reis schön klumpig und lässt sich gut zusammen mit Gemüse und Fleisch mit den Stäbchen packen. Obwohl die Portion eher sparsam bemessen scheint, bin ich am Ende angenehm satt und geschmacklich sehr zufrieden.

Kassiert wird an der Theke, das Geschirr muss man selbst zum Abräumwagen bringen .Die junge Chinesin namens Kellner 1 nimmt mein Geld entgegen.. 6,50 Euro kostet der Imbiss, vegetarisch ist es einen Euro billiger. Mein Trinkgeld nimmt sie mit einem routinierten Lächeln entgegen.

Fazit: Schön, dass man in Plagwitz heutzutage auch was anderes bekommt als fettige Mettbrötchen. Ein ordentlicher Mittagstisch im Industrieambiente zu einem angemessenen Preis.Ein Versprechen, das Lust auf ein richtiges Sichuan-Gelage mit Abendkarte macht. Ich habe jedenfalls Lust darauf bekommen. Ein Grund, demnächst doch wieder über Nacht in Leipzig zu bleiben, wenn mich meine anstrengenden Geschäfte wieder am mal in die Stadt treiben.

Chinabrenner
Gießerstraße 18
04229 Leipzig

Täglich außer Sonntag ab 12 Uhr.
Mittagstisch Montag bis Freitag bis 14.30
Ab 18 Uhr Abendkarte.

Speisekarte, aktuelle Öffnungszeiten etc; chinabrenner.de 


Türkisches Grillrestaurant reloaded: Değirmen Ocakbaşı in Neukölln

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Degirmen_von_Außen_RSTP2413

Nach meiner Erfahrung gilt für Restaurants das gleiche wie für gealterte Boxer: “They never come back.” Sind sie einmal weg vom Fenster, kann man sie getrost vergessen. So, dachten wir, wäre es auch mit dem Değirmen (türkisch für Mühle), einem schicken Grillrestaurant Ecke Kottbusser Damm und Maybachufer. Früher waren wir oft dort gewesen, gerne auch mit Freunden und Eltern auf Hauptstadtbesuch. Denn dieser Ocakbaşı (was wohl soviel wie Holzkohlengrill heißt), war immer eine sichere Nummer wenn wir Appetit auf deftige,  liebevoll und gutgemachte türkische Küche hatten. Ich erinnere mich, wie mein Vater voller Genuss die gegrillten Lammkoteletts verspeiste und über ihre Zartheit schwärmte.

Dann standen wir eines Tages vor verschlossenen Türen, die Fenster waren mit Papier verklebt, die Leuchtreklame verschwunden. Etwa ein halbes Jahr dauerte es, bis ein Touristenitaliener (Aufschrift: “Italian Cuisine”) aufmachte, aber bald schon wieder verschwunden war. Dann startete noch jemand anderes erfolglos einen gastronomischen Versuch. Mehr als zwei Jahre, nachdem es so plötzlich verschwunden war, eröffnete in den gleichen Räumen, nur auf ein bisschen weniger Fläche, wieder ein Değirmen Ocakbaşı-Restaurant.  Doch war es noch das Gleiche? Oder würde es sein wie mit den zurückgetretenen Boxern, bei denen sich die  meisten beim Comeback als verfettetes Fallobst herausstellen und im ersten Kampf nach der Rückkehr allenfalls Mitleid hervorrufen. Doch manchmal passiert das undenkbare, der alte Kämpe tritt auf als wäre er nie weg gewesen und erobert die Herzen seiner Fans im Sturm zurück. Wir wollten es wissen: Hopp oder Top. Gelungener Neustart oder nur ein aufgewärmter Name?

Degirmen_Vorspeisenteller_RSTP2412

So kehrten wir nach einem herrlichen Nachmittag auf der Pfaueninsel am frühen Abend mit knurrenden Magen im Değirmen zum Testessen ein. Erste positive Überraschung: Wir wurden wie früher überaus freundlich und höflich begrüßt. Zu dieser Zeit war das Restaurant noch leer, füllte sich aber im Laufe des Abends zusehends. Die Wirtsleute hatten die einst recht üppige Themendekoration mit reichlich Kornähren und Mühlenmotiven kräftig reduziert. Auch die Karte wurde neu zusammengestellt, die Preise blieben weiterhin moderat. Grillgerichte beginnen ab 10 Euro, Getränke sind im Berliner Durchschnitt.

Der Test war dann der Vorspeisenteller für eine Person mit Auberginencreme, Humus, Joghurtpaste und einem vierten Aufstrich, von dem nicht sagen kann, woraus er bestand. Er kam – auch das kannten wir von unseren früheren Besuchen – zusammen mit einem riesigen Brotkorb. Als dann der Hauptgang aufgetragen wurde, war der größte Hunger bereits gestillt. Wir hatten beide einen Grillspieß mit Beilagen. Meiner Bestand aus Lammhack und schmeckte kräftig-würzig, Wasabi hatte sich für “echtes” Fleisch am Spieß entschieden und und war ebenfalls sehr zufrieden. Zum Gericht wurde ein Salat serviert, den ich wegen seines zitronigen Dressings und der milden roten Zwiebeln schon immer schätzte.

Fazit: Am Ende gingen wir satt und zufrieden nach Hause. Das Değirmen überzeugte uns auch nach dem Comeback mit frischen, gut gemachten Grillgerichten und Salaten, einem freundlichen Service und einer renovierten Karte mit Wiedererkennungswert.

Değirmen Ocakbaşı
Türkisches Grillrestaurant
Kottbusser Damm 103
10967 Berlin-Neukölln
Keine Webseite.

Fisch-Grill-Haus: Makrele und meer

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Neulich, als ich bei der freundlichen Ernährungsberaterin saß, zu der mich der Arzt Onkel Doktor aufgrund diverser Zipperlein geschickt hatte, erfuhr ich, was ich alles nicht mehr essen sollte. Innereien und Kutteln: böse. Muscheln: böse. Spinat: nur mit Sahne nicht böse. Sahne: leider böse – die ganzen ungesättigten Fette, ihr versteht?! Helles Bier: böse. Um es abzukürzen: Fast alles, was ich gerne esse und trinke, ist schlecht für mich. Nur Fisch ist gut für mich, besonders aber Seefisch. “Zweimal die Woche sollte der auf die Speisekarte”, mahnte die Beraterin.

Fischgrillhaus/Fisch Kebab Haus Sonnenalle 21, Berlin Neukölln

Den Rat nahm ich mir also zu Herzen und ging mit Wasabi dieser Tage ins Fisch-Grill-Haus in der Neuköllner Sonnenallee, um mir eine ordentliche Dosis gegrillte Makrele einzuverleiben. Ist alles drin in so einem schönen Fisch: Viel liebe Omega-3-Fettsäure gegen Arterienkalk und ein extra Schlag Geschmack. Das wissen auch die Besitzer des Lokals und werben mit dem Slogan “Fisch ist gesund”.

Im Fisch-Grill-Haus (das sich verwirrenderweise auf der Visitenkarte “Fisch Kebab Haus” nennt) bekommt man den Fisch (6 Euro!) nebst großzügiger Portion knackigem Blattsalat mit Tomaten, einem leichten Zitronendressing und  Zwiebelringen. Als Sättigungsbeilage gibt es eine reichliche Portion Reis, angereichert mit gebratenen Reisnudeln.

Liebevoll wird es frisch angerichtet und zum Platz gebracht. Bestellt wird an der Theke, Getränke (nur alkoholfrei, 1,50 Euro) bekommt man Neukölln-typisch in der Flasche  über die Theke gereicht, nach beendeten Mahl darf man das Geschirr zum Abräumtablett bringen.

Makrele gegrillt mit Salat und Reis im Fischkebabhaus

Neben Makrele gibt es auch Dorade vom Grill und Sardinen, die wir aber beide noch nicht getestet haben. Ich konnte aber  Menschen am Nebentisch beobachten, die sich durch einen riesigen Haufen kleiner Fische futterten und dabei sehr zufrieden wirkten.

Tintenfischringe stehen auch auf dem Angebot. Bei unserem ersten Besuch konnten sie mich aber weniger begeistern. Im Gegensatz zum Fisch handelt es sich bei den üblichen panierten Gummiringen aus der Fritteuse um Fertigware. Aber ich soll Tintenfisch eh nicht mehr essen, so der Merkzettel  meiner Ernährungsberaterin. Die türkische Bohnensuppe (3 Euro)  hingegen darf ich weiterhin schlürfen und das würde ich auch wieder machen. Aber Vorsicht: man muss bei den Portionsgrößen ziemlich hungrig sein, um danach sein Fischgericht noch zu schaffen.  Wasabi jedenfalls musste einen Teil von Fisch, Reis und Salat mir überlassen, und das obwohl sie weder eine Suppe noch ein Getränk genommen hatte.

Fazit: Hunger auf gut gemachten Grillfisch? Kleine Geldbörse? Dann macht man mit dem Fisch-Grill-Haus/Fisch Kebab Haus nichts falsch. Der Fisch ist gekonnt gegrillt und gewürzt, die Preise – um  die 6 Euro  für Hauptgerichte  – sind wahrlich günstig zu nennen und der Service ist sehr freundlich.

Fisch Grill Haus – Fisch Kebab Haus
Sonnenallee 21 (zwischen Friedel- und Reuterstraße)
12047 Berlin-Neukölln
Tel. 030-627 30 663

Täglich 12 bis 24 Uhr.


Größere Kartenansicht

Frisch, scharf, bodenständig: Südchinesische Köstlichkeiten im Tian Fu 2

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Ich hatte mich hier im Blog ja bereits als bekennender Fan der chinesischen Sichuan-Kost geoutet. Das Feine, Raffinierte ist nun nicht gerade die Stärke dieser Küche – soweit ich das aus meinen bisherigen Gaumentests sagen kann. Kräftig, deftig, scharf trifft es am ehesten; eine grundsolide Hausmannskost, die satt macht, aber keinesfalls plump daher kommt.

Damit kann man mich als Franken immer begeistern, wenn auch der fränkischen Küche die Schärfe leider vollkommen abgeht. Aber das ist ein grundsätzliches Problem der deutschen Kost, wir sind leider nicht gerade das Mutterland der Chilis. Aber ich schweife ab...
Tian Fu Berliner Straße -  Blick von außen ins Chinesische Restaurant
Tian Fu 2 - Original Sichuan-Küche wir versprochen - und die gibt es auch
Da Wasabi – die Liebste – scharfes Chinaessen ebenfalls sehr liebt, wollten wir diesmal das Tian Fu in der Uhlandstraße ausprobieren. Das alteingesessene Restaurant hat eine Menge begeisterte Stammgäste, die auch in den einschlägigen Foren mit Lob nicht geizen. Die Fans hatten diesmal schon am frühen Abend – es war gerade 19 Uhr – sämtliche Tische in Beschlag genommen und so standen wir etwas ratlos da mit unserem Hunger.

Auf den Rat der freundlichen Kellnerin machten wir uns auf den Weg ins Tian Fu II, eine noch relativ junge Zweigstelle des Tian Fu-Imperiums. Ohne diese Empfehlung hätten wir das Restaurant vermutlich niemals besucht. Es stellte sich nämlich als autogerecht an der vierspurigen Berliner Straße gelegener schraddeliger Flachbau heraus. An den Fenstern klebten zugetaggte All-you-can-eat-Aufkleber, daneben ein Asia-Supermarkt (der zum Restaurant gehört, wie wir dann feststellten). Aber wie sagte die Liebste: Wenn du schön auf einem Dorfanger essen willst, dann bist du in Berlin falsch.

Wir bestellten zum Einstand einen kalten pricklend erfrischenden Glasnudelsalat – herrlich scharf mit Chilistücken, obwohl als nicht scharf ausgezeichnet. Die Liebste nahm die formidable Ente nach Sichuan Art mit großen Chilistücken drin und ich blieb ganz konventionell bei einem Schweinefleischgericht. Leider waren wir viel zu aufgeregt und ausgehungert, um Fotos zu machen. Deshalb bleiben diese Köstlichkeiten unbebildert.

Scharfer Gurkensalat im Tian Fu Berliner Straße  - Chinesisches Restaurant
Scharfer Gurkensalat mit Chilisoße

Weil wir spontan beschlossen, Stammgäste zu werden, konnten wir die die Fotos bei unserem zweiten Besuch nachholen.

Zur Eröffnung aßen wir gefüllte und gekochte Teigtaschen mit einer pikanten Ingwer-Schweinehack-Füllung (3,90 Euro) - und Gurkensalat in Chilisauce (3,50 Euro). Der Salat war anregend scharf, die Teigtaschen machten Appetit auf mehr. Das war auch gut so, denn die Hauptspeisen sind keine Portionen für Feiglingen. Wer an der Menge scheitert, kann sich die Reste für Zuhause einpacken lassen. Das lohnt sich, denn zum Wegwerfen ist das gute Zeug definitiv zu schade.
Scharfe Teigtaschen im Tian Fu Berliner Straße  - Chinesisches Restaurant
Gefüllte Teigtaschen - eine Art Raviolo in scharfer Soße -  machen Appetit auf mehr
Als Hauptgang brachte mir die sehr freundliche Kellnerin Aubergine Yüxiang Art für 8,50 Euro. Das Gemüse war bissfest geschmort, schmolz auf der Zunge, die süßsaure Soße hatte eine leichte Knoblauchnote und schmeichelte den Geschmacksknopsen mit einer wärmender Schärfe. Reste zum Einpacken blieben leider keine, dazu war dieses vegetarische Gericht einfach zu köstlich.

Hauptgerichte: Bohnen mit Hack und scharfe Auberginen im Tian Fu Berliner Straße  - Chinesisches Restaurant
Auberginen Yüxiang-Art und trocken gebratene Bohnen mit gehacktem Schweinefleisch

Ebenso erging es der Liebsten; sie hatte grüne Bohnen mit geröstetem Schweinehack und eingelegten Gemüse mit Chili bestellt. Das Fleisch ist nicht gewolft, sondern wird offenbar mit Hackmessern zerkleinert. Dadurch hat es eine sehr krümelige und fast trockene Konsistenz (8,90 Euro).

Das alles ist relativ arm an Soße, was aber kein Fehler ist, sondern Programm. Denn die Sichuan-Küche liebt die „trocken gebratenen“ Gerichte.

Wer sich also ein Essen ohne Unmengen von Soße nicht vorstellen kann, sollte lieber zum Feuertopf – ebenfalls eine Sichuan-Spezialität– oder einen der Eintöpfe greifen.


Fazit:

Die Fahrt in diesen absolut nicht so schicken Teil von Berlin lohnt sich auf jeden Fall. Eine Reservierung dürfte derzeit nicht nötig sein, denn das Restaurant hat reichlich Plätze.Also: hinfahren, am besten mit mehreren Personen und ganz, ganz viele verschiedene Gerichte probieren und glücklich mit den Resten für die nächsten Tage nach Hause fahren.

Tian Fu – Restaurant Berliner Straße

Berliner Str. 15
10715 Berlin
Tel.: 030/86 39 77 80
Mo.-So. 12.00 – 23.00 Uhr

Webseite: tianfu.de


Berliner Kuchen in der Sommerfrische: Literaturcafé in Strausberg

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Am Wochenende und sonstigen freien Tagen fährt der Städter gerne in die Sommerfrische aufs Land, der Berliner also nach Brandenburg. Wir sind da keine Ausnahme und nahmen am Urlaubsmontag die S5 nach Strausberg.  Ist schon toll, wohin man mit der Berliner S-Bahn überall hinkommt

Vom Haltepunkt Strausberg-Stadt läuft man in wenigen Minuten ins Städtchen, das recht idyllisch am Straussee liegt. Leider bekamen wir auch jede Menge Wasser von oben ab, denn pünktlich mit unserer S-Bahn war auch ein heftiger Sommerregen in Strausberg angekommen. Ein guter Anlass um ein trockenes Plätzchen mit Kaffee und Kuchen zu suchen.

Literatur- und Kunstcafé von außen
Im trüben Regenwetter nicht sehr spektakulär, wenn man davor steht, aber sehr einladend:
das Literatur- und Kunstcafé Litera in Strausberg.

Erfreulicherweise gibt es im historischen Stadtkern einige Cafés und und auch Bäckereien mit Sitzgelegenheiten. Keine Selbstverständlichkeit in Orten dieser Größe. Das freut die Leckeresser, die immer gerne ein bisschen Auswahl haben. Wir entschieden uns für das Literatur-und Kunstcafe in der Großen Straße. Das wirkte so schön heimelig, schon von außen konnte man das Holzfachwerk mit den weiß gestrichenen Wänden sehen. Dabei haben die Betreiber eine gute Balance zwischen dem alten Haus und der sachlich-soliden Einrichtung gefunden. Dem Café geht glücklicherweise alles muffige Butzenscheibenhafte.

Backprofis am Werk


Und so genossen wir drinnen unseren Cappuccino, während draußen der Tropenregen pladderte. Dazu aßen wir einen ausgezeichneten Streuselkuchen mit Heidelbeeren aus dem ansehnlichen Gebäckangebot. Natürlich war ich neugierig, wer in Strausberg so einen guten Kuchen backen würde und fragte die freundliche Kellnerin nach dem Lieferanten. Denn hier war eindeutig ein guter Konditor am Werk.

Cappuccino und Streuselkuchen im Literaturcafé in Strausberg
Für Streuselkuchenfans ein Fest. Der Cappuccino ist lecker, nur die Milch etwas zu luftig aufgeschäumt.

Die Antwort war etwas überraschend. Der Kuchen kommt aus einer Berliner Konditorei – welche wurde aber nicht verraten. Dabei waren wir bei unserem Streifzug durch Strausberg an mindestens vier Bäckereiläden vorbeigekommen. Warum es keiner von denen das Café beliefern darf, wurde mir nicht verraten.

 

Der Konditor bleibt geheim


Wahrscheinlich gelten hier die ungeschriebenen Regeln der Kleinstadt für Geschäftsleute: Wenn man im Ort kauft, muss man bei allen kaufen. Sonst sind die einen beleidigt, die anderen werden beneidet. Also lässt man es besser ganz bleiben und sucht sich ganz was anderes. Und wenn man nicht selbst bäckt, holt man sich das Zeug halt aus Berlin. Aber das ist alles nur eine Vermutung. Ich jedenfalls wünschte mir, der Berliner Konditor wäre in unserem Kiez. Er hätte mich sofort als Stammkunde gewonnen.

Fazit

Ein schönes Café in einem interessanten Ort. Der Kaffee ist gut, der Kuchen noch besser. Und wem mehr nach einem Eisbecher ist, findet eine schöne Auswahl an offenem Eis aus Grünheide. Das blieb aber ungetestet, deshalb nur der Hinweis ohne explizite Empfehlung.

Literatur-und Kunstcafe LITERA 
Große Straße 58
15344 Strausberg
Webseite: www.cafe-litera.de

Café Deckshaus: Schöne Aussicht am historischen Hafen

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In Berlin-Mitte gibt es ein paar wunderbare Ecken, die es offenbar nicht in die hippen Reiseführer geschafft haben. Der historische Hafen am Märkischen Ufer dürfte dazu gehören. Anders kann ich mir es nicht erklären, dass sich dort an einem herrlichen Augusttag wie heute kaum eine Handvoll Touristen verliert. 
Eingang zum Historischen Hafen an der Spree
Umso besser, denn so hatten wir heute das Café Deckshaus fast für uns alleine. Ich nenne die Lokalität immer „das Schiff“. Denn das Café befindet sich in und auf einem alten Heckradschlepper, dem man den früheren Einsatzzweck noch immer ansieht. Von Deck aus hat man eine herrlichen Blick zur Mühlendammschleuse und Fischerinsel mit den Spitzen der Nikolaikirche im Hintergrund. Auch an warmen Tagen wie heute weht ein erfrischender Wind über die Spree. Die Luft riecht angenehm nach Flusswasser, vermischt, mit dem Duft der alten Schiffe am Kai.
Blick Mühlendammschleuse vom Historischen Hafen Berlin vom Deck des Café Deckshaus
Mühlendammschleuse - im Hintergrund die Nikolaikirche. Im Vordergrund jede Menge Schiffszubehör.
Und weil Mittag war und wir Hunger hatten, bestellten wir auch einen Imbiss aus der recht überschaubaren Karte. Nun gibt es Gaststätten, die ich nicht unbedingt wegen des guten Essens besuche. Die haben andere Qualitäten und dazu gehört auch das Schiff im alten Hafen mit seiner immer freundlichen Bedienung und gut gezapften Getränken. Es gibt Bauernfrühstück. Oder Schnitzel, Matjesheringe und Bouletten – wahlweise mit Kartoffelsalat oder mit Bratkartoffeln.
Currywurst mit Brot und Salat im Café Deckshaus Historischer Hafen Berlin
Eine Currywurst bleibt eine Currywurst. Auch mit Brot und Salat.
Ich nahm eine Currywurst mit Hausmachersoße (4,90 Euro), den grünen Salat behielt ich, den Mayonaise­kartoffelsalat dagegen ließ ich durch zwei Butterstullen ersetzen. Was für die freundliche Bedienung auch überhaupt kein Problem war. Zu sagen gibt es nicht viel: es war halt eine Currywurst. Auch wenn hier in Berlin ein ziemliches Gewese um diese Wurst gemacht wird– sie ist ein einfaches Imbissgericht und das sollte sie auch bleiben. Mein Begleiter T. nahm den Sahnehering (8,80 Euro) und war zufrieden. Dazu tranken wir Apfelschorle (3,40 Euro für 0,4l), T. bestellte zum Abschluss noch einen ordentlichen Milchkaffe (2,80 Euro), bevor wir kurz nach Alice Schwarzer zufrieden und entspannt das Café Deckhaus verließen.

 

Fazit

Tolle Aussicht auf Spree und Berlin-Mitte, gepflegte Getränke, Imbissgelegenheiten zum fairen Preis und viel Ruhe.


Cafe´Bistro Deckshaus 
Märkisches Ufer 1z
10179 Berlin
Webseite: www.deckshaus.de

Der Kunger-Kiez: Leben zwischen Säuferkneipe und Feinschmecker-Restaurant

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Charming Karl-Kunger-Straße
Ich habe es versprochen. Als ich mir das erste Mal über den Kunger-Kiez so meine Gedanken („Warum wir ein bisschen mehr Wohlstand in Berlin brauchen“) machte und sie hier der Welt mitteilte. Mit den Worten „Fortsetzung folgt“ ließ ich mein ersten Text im November 2010 enden. Das sind, ich schäme mich dafür, gute viereinhalb Jahre verschleppte Ankündigung. Die freundliche Ermahnung im Oktober 2013, dass es nun an der Zeit sei, die Fortsetzung zu schreiben, ließ ich scheinbar unbeachtet. „Ich würde darum bitten der Ankündigung einer Fortsetzung nachzukommen und jetzt fast drei Jahre nach veröffentlichung dieses Artikels das Thema erneut aufzugreifen“, schrieb die oder der nette Anonyme und ja: wer auch immer du bist, du hattest so recht.

Ok, nachdem ich lange vor meiner Schreibblockade kapitulierte, nehme ich nun den Kampf ums Wort wieder auf und werfe einen erneuten (nicht nur) kulinarischen Blick auf den Kunger-Kiez. Beginnen wir einfach mit einer Bestandsaufnahme.

Erstens: Die Säufer sind fast komplett aus dem Kiez verschwunden. Eine Ausnahme gibt es noch (dazu unten mehr), aber 2010 war der Anblick leerer Schnapsflaschen in der Karl-Kunger-Straße noch normal.


2010: Die Alkoholkranken hinterlassen überall ihre Spuren im Kiez


2015: Seit Monaten wurden keine Schnapspullen mehr gesichtet
Zweitens: Nun sind fünf Jahre sind in der Zeitrafferstadt Berlin gar nix. Abgesehen vom Hauptstadtflughafen, vom neuen Entreé der Museumsinsel, von der Renovierung des Opernhauses Unter den Linden, neuen Straßenbahntrassen und sonstigen verschleppten und verantwortungslos betriebenen Bauvorhaben, wächst, wuchert und metamorphisiert die Stadt wie ein Hefeteig bei 30 Grad Celsius.

 

Lücke geschlossen, Freiräume verschwunden

Da verwundert es nicht, dass auch der Kunger-Kiez in den vergangenen 4,5 Jahren sein Gesicht deutlich verändert hat. Nicht nur die Straßentrinker sind verschwunden. Auch weitere Baulücken in der Straße sind Geschichte. Wo auf einer Brache zwischen Bouché- und Krüllsstraße lange Zeit derInselmarkt mit Fussballgucken, Gemüse- und Käsestand, Fahrradbastler und Burgerbrater den staubigen Freiraum zwischen den Brandmauern nutzte, steht jetzt ein nüchterner Wohnbau mit Vorder- und Hinterhaus. Die Lücke ist weg, der Freiraum damit auch.

Der alteingesessene Kioskladen in der Mitte der Straße nutzte die Gelegenheit und zog 50 Meter weiter in den Neubau. Lange blieb der alte Laden nicht leer. Eine im Kiez lange ersehnte Eisdiele – der „Fritze“ ist eingezogen. Ganz neu ist der Fritze aber auch nicht: Erst residierte er zwei Jahre lang eingekeilt zwischen Yogabude und Nähladen. Nach einer Zwangpause von einem Jahr plegt er nun sein etwas chaotisches, aber leckeres Dasein am neuen Ort 100 Meter weiter. Das ist ja wohl eine der wichtigsten Neuerungen am Ort: Es gibt hausgemachtes Eis (Biopistazie! Der absolute Geschmackshammer) und natürlich auch guten Kaffee und verschiedenes hausgemachtes Gebäck. Die Thekenmaiden sind zwar nett sind, hübsch, jung und bemüht, aber bei größerem Andrang wirken sie bisweilen etwas unorganisiert. Also Fritze: Bisschen mehr Struktur und du machst den dreifachen Umsatz.

 

Indien statt Italien

Nächster Wechsel. 2010 lobte ich das Il Sogno noch als tollen Feinkostladen mit Espressobar. Leider, leider hat das Konzept wohl doch nicht getragen. Der neue Besitzer ist ein Inder und hat das Angebot von italienisch, auf, nun ja, indo-italienisch umgebaut. Die fantastischen sizilianischen Rotweine, von denen ich öfter eine Flasche holte, gibt es nicht mehr. Über den Rest des Angebots kann ich nichts Substanzielles sagen. Aber die Menschen, die ich beim Imbiss beobachte, wenn ich auf den Marzahn-Bus 194 warte, scheinen zufrieden. Vor allem sind es immer dieselben. Stammgäste sind ja auch ein gutes Zeichen.

Stichwort Stammgast: Die hat auch die Treptower Klause, die sich bereits im sechsten Jahr mit unverändert guter Küche auf ihre Fans verlassen kann (wie auch umgekehrt). Mehr dazu in meinem ausführlichen und immer noch aktuellen Blogbeitrag von 2013. Wenn Koch Jussuf es jetzt noch schafft, ein fränkisches Schäuferla zu zaubern, dann wäre mein Glück vollkommen. Komm Jussuf, Schweinehaxen bayerischer Art bringst du doch auch erstklassig hin.

Die Manyo-Bar ist nicht mehr ... Die coolste Kneipe hat zugemacht. Ersatz ist nicht in Sicht.
Auch einen Totalverlust gibt es zu vermelden. Die Manyo-Bar war Sammelort für Kiezverrückte, Partyvolk und Absturzort nach zu langen Arbeitstagen. Sie ist nicht mehr. Die Immobilie ist in einem Onlineportal günstig ausgeschrieben, Vermerk „Keine Gastronomie“. Gerüchteweise soll die Wohnung über dem Manyo (genau: das Manyo, nicht die, obwohl es nach der ehemaligen Freundin des Wirtes benannt war) leergestanden haben – was mich nicht wundern würde bei der doch recht kräftigen Musikbeschallung. Nu isses also weg und hat viele Stammgäste heimatlos gemacht.

 

Berlin ist nicht New York

Verschwunden ist auch der Falafel-Laden des sympatischen arabischen Israeli gleich an der Ecke zur Bouchéstraße. Ich wollte immer mal drüber schreiben, jetzt ist es zu spät. Dennoch in aller Kürze eine kleine Dankesrezension: Sein Hummus war erstklassig, die Falafel suchten ihresgleichen, und ich lernte den Shakshouka kennen, ein Gericht, das es im ganzen arabischen Raum und unter dem Namen Menemen auch in der Türkei gibt. Die dickwürzige Tomatenpaprikasoße mit Spiegelei wurde gleich mein Lieblingsessen. Nun soll der Fafalelkoch nach New York gegangen sein, habe ich gehört. Berlin kann offenbar doch nicht gegen Manhattan anstinken und Alt-Treptow ist nicht das neue Brooklyn. Falls du liest lieber Falafelmann: mich hat das nicht gestört, dass du ein bisschen langsam warst und man aufs Essen warten musste. Ich vermisse dein Shakshouka. Und wünsche dir, dass du mit dem New Yorker Tempo mithalten kannst.

Aber auch hier gilt in Abwandlung eines längt zu Tode zitierten Dichterspruches: In jedem Ende wohnt ein neuer Anfang inne. Seit Wochen wird in der kleinen Gaststätte gewerkelt und getan, die nächsten Betreiber stehen offenbar schon in den Startlöchern und wir rätseln, was da kommen könnte. Eine weiteres Café oder eine Tapasbar, was mit offenem WlAN und Hipsterkompatibilität? Abwarten und Kaffeetrinken.

 

Kaffee im Kiez

Apropos Kaffee. Zwei Cafés gibt es im Kiez. Erstens das Provinz, so eine Art Kiezwohnzimmer ohne Couchgarnitur – bewährt mit Außensitz, Doppelkopfrunden, Lesungen, Strickabenden und Musiksessions. Zweitens Mona's Café (sic!), das sich vor allem an Eltern mit Zwergenbegleitung wendet. Während Mama und Papa selbstgebackene Kuchen spachteln, können die lieben Kleinen in der abgezäunten Kinderecke mit Klötzchen um sich werfen. Mir ist es ein bisschen zu hallig, zu mamimäßig, aber ich bin ja nicht die Zielgruppe. Und der Kungerkiez hat mittlerweile so viele Kinder, dass Mona und ihre Unterstützerinnen getrost auf meine Kaffeetrinkerei verzichten können.

Verzichten könnte der Kiez dagegen auf die verbliebene einzige Säuferkneipe im der Straße. Die Crazy Bar III (wo sich Nummern I und II befinden, will ich gar nicht wissen) bietet allerlei Menschen mit ungünstiger Sozialprognose eine traurige Heimstatt. Das Bier ist billig (Sterni 1 Euro), die Futschis ebenso, im Hinterzimmer klingeln die Spielautomaten und vielleicht auch noch anderes, und immer um den Ersten eines Monats tauschen die armen Teufel die knappe Stütze gegen einen megamäßigen Rausch. Dann kommen auch mal Polizei und Notarzt, um die 3-Promille-Leichen von der Straße aufzusammeln.

 

Was noch fehlt

Und jetzt ist mein Text schon wieder viel zu lang und weitschweifig geworden und ich habe noch nicht über die verschwundenen und die gegenwärtigen Bäcker geschrieben, den kleine Vietnam-Zeitschriftenladen, der auch hausgemachte Frühlingsrollen verkauft, das libanesische-deutsche Steakhaus im Italostil und die rumpeligen Germanoinder in der Plesserstraße. Deshalb mach ich hier Schluss und versuche nicht erst in vier Jahren nochmal was über den Kiez zu schreiben.

Habe ich noch ein Fazit? Ja, es geht weiter aufwärts, ohne dass die Prenzlauerbergisierung schon eingetreten ist. Indizen sind weiterhin eine reiche Auswahl an Kühlschränken, verrottenden Mobiliar und zerstörten Fernsehgeräten auf der Straße, reichlich Hundehaufen auf der Straße. Doch verschwunden sind aus dem Straßenbild die leeren Schnapspullen und die betrunkenen Männer, die vor dir in den Rinnstein pinkeln.

Wird fortgesetzt ...
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